Stellungnahme zum Jugendticket – 09.02.25
Die Kreistagsfraktionen CDU/FDP und die AFD wollen die Einführung des Kinder- und Jugendtickets (im Folgenden verkürzt Jugendticket genannt) im Ilm-Kreis aus dem Kreishaushalt streichen bzw. nicht in den Haushalt aufnehmen. Der Kinder- und Jugendbeirat (KJB) Ilm-Kreis spricht sich gegen diese Entscheidung aus. Die Begründung ist dieser Stellungnahme zu entnehmen.
Aktuell stockt der Landkreis das Schülerticket, auf welches junge Menschen ab einer gewissen Entfernung zwischen Wohnort und Schulort einen Anspruch haben, zu einem Deutschlandticket auf. Landrätin Petra Enders begründet diese Entscheidung damit, dass Mobilität ein Grundrecht sei. Da jedoch eine Benachteiligung zwischen den Schülerinnen und Schülern entsteht, die nah genug an ihrer Schule wohnen und daher keinen Anspruch auf ein Deutschlandticket haben und jenen, die einen Anspruch haben, möchte der Kreis das Ticket zu einem Jugendticket für alle jungen Menschen erweitern.
Der Kinder- und Jugendbeirat Ilm-Kreis teilt die Auffassung, dass Mobilität ein Grundrecht ist, welches sich aus dem Grundgesetz ableiten lässt, und unterstützt daher auch aus Fairness- und Gleichberechtigungsgründen die Erweiterung zu einem Jugendticket. Die Aufstockung des Schülertickets zu einem Deutschlandticket aufgrund des Mobilitätsbedarfs und -Grundrecht sowie der günstigen Gelegenheit begrüßt der KJB. Erkennt man Mobilität als Grundrecht junger Menschen an, so gilt dieses aus Sicht des Kinder- und Jugendbeirats jedoch für alle jungen Menschen, ganz unabhängig davon, ob sie in der Stadt nah an der Schule oder auf dem Land, also nicht nah genug an der Schule, wohnen.
Die Einführung eines Jugendtickets im Ilm-Kreis war und ist eine wiederholte Forderung von jungen Menschen auf den Sozialraumkonferenzen des Ilm-Kreises gewesen. Auch ein zuletzt gestartetes Bürgerbegehren hat diese Forderung aufgezeigt. Zwar ist dieses Begehren aufgrund zu weniger Unterschriften gescheitert, jedoch liegt das nach Auffassung des Kinder- und Jugendbeirats nicht an dem fehlenden Bedarf bei jungen Menschen, sondern eher daran, dass das Teilen des Bürgerbegehrens nicht ganz erfolgreich war.
Gegenüber der Presse erklärt die CDU/FDP-Kreistagsfraktion, dass das Jugendticket wegen einer unsicheren Finanzierung durch die Kommunen im Kreis nicht möglich sei, während hingegen das Seniorenticket in den Haushaltsvorschlägen weiterhin bestehen bleibt, wenn auch mit Kürzungen. Zwar begrüßt der KJB das Bewusstsein, welches die CDU/FDP-Kreistagsfraktion für eine nachhaltige Finanzhaushaltsplanung zum Ausdruck bringt, jedoch wirft der Haushaltsentwurf die Frage auf, ob die Prioritätensetzung zu Lasten junger Menschen und zu Lasten des Klimaschutz die richtige Entscheidung ist und ob die Möglichkeiten, die mit der Einführung eines solchen Tickets bestehen, durch den Haushaltsentwurf verkannt werden.
Auch wurde im Artikel des Freien Worts vom 31.01.2025 deutlich, dass es Möglichkeiten für eine Finanzierung des Jugendtickets gibt, auch aufgrund von steigenden Zuwendungen und Fonds des Landes, auf welche Landkreis und Kommunen zurückgreifen können. Jedoch sei eine solches Möglich-Machen des Jugendtickets laut Landrätin nur möglich, wenn der Posten auch im Haushaltsplan aufgeführt wird.
Aus Sicht des Kinder- und Jugendbeirats entsteht somit bedauerlicherweise der Eindruck, dass es nicht an der Finanzierung des Jugendtickets scheitert, sondern am fehlenden Willen der CDU/FDP- sowie AfD-Kreistagsfraktionen, sich für ein solches Ticket einzusetzen. Obwohl ein Jugendticket und der ÖPNV-Ausbau eine wiederholte Forderung junger Menschen im Ilm-Kreis sind.
Die Einführung des Jugendtickets wird von ihren Kritikern des Weiteren in Frage gestellt, weil die Strukturen im ländlichen Raum für das Nutzen eines solchen Tickets fehlen. Der KJB teilt die Einschätzung, dass hier Verbesserungsbedarf besteht.
Abgesehen davon, dass dies kein Hinderungsgrund für ein Seniorenticket zu sein scheint, sind aus Sicht des Kinder- und Jugendbeirats gerade die fehlenden Strukturen im ländlichen Raum ein Grund, dieses einzuführen.
Die teils unattraktiven Busverbindungen bewegen junge Menschen und Familien in den ländlichen Bereichen des Ilm-Kreises dazu, frühzeitig auf den Individualverkehr zu setzen. Dies stärkt eine Prägung auf den Individualverkehr in jungen Jahren, welche sich in der Regel im weiteren Lebensverlauf nur manifestieren.
Solange nicht mehr Menschen den ÖPNV nutzen und auch in Zukunft aufgrund ihrer Prägung nicht nutzen werden, bleibt das Problem bestehen, dass die Nachfrage insbesondere im ländlichen Raum ein erhöhtes Angebot nicht zum Ausdruck bringen wird. Hierbei lässt sich ein nicht zu durchbrechender Kreis zwischen fehlendem attraktivem Angebot und fehlender Nachfrage feststellen, weswegen ein Ausbau von Strukturen des ÖPNV auf dem Land oft auf der Strecke bleibt.
Ein Jugendticket könnte hier aus Sicht des KJB ein erster Schritt sein, um diesen Kreis zu durchbrechen und die Prägung auf den Individualverkehr aufzulockern.
Das Jugendticket stellt ein niedrigschwelliges Angebot dar, welches die soziale Teilhabe aller junger Menschen unabhängig vom Elternhaus fördert und die Mobilität allgemein erhöht. Das Wissen, jeden Bus und jede Bahn nutzen zu können schafft Überlegungen ab, welchen Bus oder welche Bahn junge Menschen wann, wie und zu welchem Preis nutzen können. Ein Jugendticket in Form eines Deutschlandtickets erhöht also die Flexibilität und somit die Attraktivität des ÖPNV, auch auf dem Land. Das heißt aus Sicht des Kinder- und Jugendbeirats, dass eine Hürde abgebaut werden würden, die mehr junge Menschen dazu bewegt, öfters den Bus zu benutzen, was einen positiven Effekt auf die Nachfrage haben kann.
Das Jugendticket kann also eine Maßnahme sein, die einen positiven Effekt auf die Fahrgastzahlen haben kann. Dem KJB Ilm-Kreis ist bewusst, dass dies ein langer und schleichender Prozess ist, der vor allem erst gepaart mit weiteren Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität des ÖPNV einen Effekt erzielt. Ein Beispiel für eine solche weitere Maßnahme ist ein Nachtbus, welcher bspw. auch an den Clubs und Abenddiscos im Kreis hält. Darüber hinaus ist dem Kinder- und Jugendbeirat auch bewusst, dass eine Wirtschaftlichkeit des ÖPNVs in naher Zukunft ohne öffentliche Subventionen nicht möglich sein wird. Daher seien hier weitere Gründe genannt, welche unserer Ansicht nach ein Jugendticket erforderlich machen.
Neben dem Grundrecht auf Mobilität und der Generationengerechtigkeit sind die massiven Verfehlungen im Bereich der Verkehrswende ausschlaggebend für ein Jugendticket. Europäische Union, Bund, Land als auch der Ilm-Kreis verfehlen hier deutlich ihre Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasen. Der Verkehrssektor ist sogar der Sektor, der die Ziele wiederholt deutlich verfehlt und dadurch besonders hervorsticht. Daher muss der Kreis aus Sicht des Kinder- und Jugendbeirats hier seinen Teil dazu beitragen, diese Negativentwicklung nicht länger billigend in Kauf zu nehmen und dementsprechend unter anderem mit einem Jugendticket entgegenwirken. Daher würden wir die Einführung eines solchen Tickets begrüßen.
Ein Jugendticket, welches das Nutzen des gesamten ÖPNVs im Kreis ermöglicht, hätte den positiven Effekt, dass junge Menschen am Abend oder gar in der Nacht, wenn sie unterwegs, bei Freunden oder auf Feiern sind, nicht mehr allein nach Hause Laufen müssen oder gar überhaupt nicht nach Hause kommen. Der ÖPNV würde hierbei einen „Safe-Space“ darstellen, der auch ein sicheres Nachhausekommen ermöglichen würde. Hierbei möchte der Kinder- und Jugendbeirat insbesondere auf die Abhängigkeit vom Elternhaus hinweisen. Zum einen haben nicht alle Eltern die Muße, ihre Kinder nachts abzuholen, weswegen der ÖPNV eine sichere Alternative darstellen würde. Zum anderen würde ein Jugendticket auch die soziale Teilhabe und die Vernetzung zwischen Stadt und Land erhöhen, da insbesondere junge Menschen mit finanziell schwächeren Elternhäusern die Möglichkeit hätten, am sozialen und öffentlichen Leben auch über ihren Ort und die Möglichkeiten ihrer Familie hinaus teilzuhaben. Aus Gründen der Gerechtigkeit und des Rechts aller Kinder zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit unterstützt der KJB auch deshalb das Jugendticket und hält allein schon aus Gründen der Sicherheit eine Einführung für geboten.
All die genannten Aspekte begründen unserer Auffassung nach, dass sich trotz der Herausforderungen in der Finanzierung alle Kreistagsfraktion für die Aufnahme eines Jugendtickets in den Kreishaushalt einsetzen & stark machen sollten.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Die Mitglieder des Kinder- und Jugendbeirats des Ilm-Kreises
Auswahl:
Sitzung Jugendhilfeausschuss am 11.02.2025
Tagesordnungspunkt 66
Anfragen bitte an:
Kinder- und Jugendbeirat (KJB) Ilm-Kreis
Der Kinder- und Jugendbeirat ist ein
Beirat des Ilm-Kreises
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